Blues: Ursprung und die Stimmen bahnbrechender Musiker

Yacine Khorchi
Yacine Khorchi

Gründer und Klavierlehrer

Letzte Aktualisierung: 20.10.2023

Wer sich „blue" (=„blau“) fühlt, ist melancholisch oder gar niedergeschlagen. Die wehmütige Stimmung spiegelt sich in dieser Musikrichtung klar wider. Herzzerreißende Texte, unterdrückte Arbeiter und tiefste Niedergeschlagenheit sind Kennzeichen des Blues. Zudem wird der Blues häufig von einem Klavier und einer Gitarre begleitet. Oft gibt es auch Blasinstrumente oder ein Banjo.

Doch zunächst einmal, wo liegen die Anfänge des Blues und was macht ihn so besonders?

Geschichtlicher Hintergrund der Blues Musik

Erste Frühformen des Blues entstanden um 1900 herum in den Südstaaten der USA, nachdem dunkelhäutige Sklaven seit 1619 reichen, hellhäutigen Amerikanern mit ihrer mühseligen und teils menschenunwürdigen Arbeit dienen mussten. Sklaverei reicht allerdings weiter in die Geschichte zurück. Bereits 1492 gab es Slavenhandel, den Christoph Columbus nach seiner Entdeckung Amerikas in Gang setzte. Ab der Mitte des 17. Jahrhunderts wurden jedoch zunehmend mehr Sklaven in die USA importiert und das Plantagensystem eingeführt.

Tagein tagaus waren sie dazu verdammt, auf Baumwollplantagen hart als Pflücker zu schuften und von ihren Großgrundbesitzern ausgebeutet zu werden. Dies war die primäre Tätigkeit der meisten. Andere wurden Hausangestellte oder arbeiteten im Handel. Fortwährend ihrer Kräfte beraubt, gingen sie widerwillig ihrer überwiegend monotonen Arbeit nach. Und das alles lediglich aufgrund der Diskriminierung ihrer Hautfarbe

Die anfänglichen Klagelieder auf den Baumwollplantagen waren unmittelbarer Ausdruck der unterdrückten afroamerikanischen Bevölkerung. Dies war ihre einzige Möglichkeit, ihren Frust auszulassen und sich trotz ihrer Gefangenschaft gewissermaßen frei zu fühlen. Sie gab ihnen eine kulturelle Identität. Entsprechend bedeutete die Musik den Feldarbeitern sehr viel. 

Die grundsätzlich emotionalen und einfach gestrickten Texte wurden meist spontan erfunden und handelten von den Freuden und Härten des alltäglichen Lebens. Häufig wurden zudem die Themen Liebeskummer, Rassendiskriminierung, Heimweh, Naturkatastrophen, sowie Unglücke und Schicksalsschläge aller Art im Blues behandelt.

In den Liedern, die sie sangen, erinnerten sie sich an ihre Heimat auf der anderen Seite des Atlantiks. Das Musizieren ermöglichte ihnen eine Reise in die idyllisch scheinende Vergangenheit, das Verarbeiten der harten Gegenwart und bot einen Lichtblick für eine Zukunft, die sie eines Tages frei erleben zu können hofften.

Schlussendlich wurde die Sklaverei in den USA im Jahre 1865 abgeschafft. Zu diesem Zeitpunkt war noch lange keine Gleichberechtigung erreicht. Jedoch hatten einige der Arbeiter durch die Gehälter, die ihnen nun zustanden, die Möglichkeit auf Instrumente zu sparen. Das klassische Beispiel ist die Mundharmonika. Mit viel Kreativität wurde Müll sowohl zu Rhythmus- als auch zu Melodieinstrumenten ummodelliert und verfügbare Räume dienten nun als Bühne. Man nutzt alle zur Verfügung stehenden Mittel, um musizieren zu können.

Die Entstehung des Blues

Von Feldrufen zum Blues

Wer allein auf dem Feld arbeitete, ließ zunächst gelegentlich "Field Holler” ertönen. Dabei handelte es sich um melodische oder rhythmische Rufe, um das Vieh zu beruhigen, Freunden und Arbeitskollegen mitzuteilen, wo man sich gerade befand, oder einfach, um die Zeit durch humorvolle Geräusche schneller vergehen zu lassen. Meist waren es spontan erfundene und eher kurze improvisierte Gesangsphrasen ohne Text, die viele gar nicht als richtige Lieder ansahen. Sie waren zum Ausdruck der momentanen Stimmung geschaffen.

Der Worksong in seinen Anfängen

Die Begegnung mit den europäischen Volks- und Kirchenliedern prägte die schwarze Bevölkerung. Es waren die Spirituals, die die Ruf- und Antwortstruktur der "Worksongs“ wieder aufgegriffen hat. Die traditionelle Musik der Afrikaner, wie beispielsweise Ragtime und Balladen, Hymnen und Psalmen der europäischen Siedler, begannen aufeinander abzufärben. Spirituals und Gospels gehörten bald zu den Bausteinen des Blues

Daraufhin texteten immer mehr Arbeiter etwas zu einem Worksong zusammen. Ein Arbeiterlied, das einen konkreten Rhythmus vorgab und im Wechsel von einem Vorsänger und Chor gesungen wurde.

Mit der Zeit kamen religiöse musikalische Komponenten hinzu und es entwickelte sich schließlich das, was wir heute unter Blues verstehen.

Obwohl damals ein Großteil der Weißen in den USA einen starken Hass gegenüber dieser Musik aufgrund ihrer Herkunft empfanden, gewannen die einfachen und gefühlvollen Melodien mit der Zeit durchaus an Anerkennung. Die eindringliche Beeinflussung des Blues zeigt sich heute noch immer in der Rock- und Popkultur.

Schon gewusst?

Der Blues gehört zu den wichtigsten Wurzeln des daraus entstandenen Jazz. Insbesondere im Hinblick auf die Melodik und Rhythmik war der Blues wegweisend.

Musik als Motivation

Die Feldlieder dienten nicht ausschließlich der Verarbeitung der schlechten Lebensbedingungen. Der sogenannte „Worksong“ wurde insbesondere gesungen, um der körperlichen Aktivität einen unterstreichenden Rhythmus durch Gesang beizufügen und somit die Arbeiterschaft zu motivieren. Manchmal wurden hiermit sogar die eingeschlafenen Arbeiter geweckt oder sie dienten als purer Zeitvertreib, um der Monotonie einen angenehmen Beigeschmack zu verleihen.

Ein gutes Beispiel für die Art von Gesang, die für die Koordination der Arbeit erforderlich war, ist das Arbeiterlied der Eisenbahn. Um ganze Gleisabschnitte neu auszurichten, muss ein Team mit Hämmern auf die Schienen einschlagen oder mit Brecheisen an ihnen ziehen. Würden alle zu unterschiedlichen Zeiten auf die Schiene schlagen, würde sie sich überhaupt nicht bewegen. Am effizientesten ist es daher, wenn die Arbeiter in einem einheitlichen Rhythmus arbeiten und alle gleichzeitig klopfen oder ziehen. Ein Beispiel hierfür ist der „Steel Driving Song“ von Henry Truvillion.

Bluesschema

Das Bluesschema besteht typischerweise aus zwölf Takten und basiert auf nur drei Akkorden: Auf der Tonika, der Subdominante und der Dominante. Das Standard Blues-Schema ist der zwölftaktige Blues, wobei jede von den drei Zeilen aus jeweils vier Takten besteht. Möchte man beispielsweise einen Blues in C Dur komponieren, so ist das dazu erforderliche Bluesschema das folgende:

C-C-C-C

F-F-C-C

G-F-C-C

In den ersten zwei Zeilen des zwölftaktigen Schemas schildert der Sänger zumeist ein Problem oder eine schwierige Situation. In der dritten Zeile ändert sich dann die Melodie, während der Sänger einen Lösungsvorschlag für sein Problem findet.

Mehr über das Blues Schema erfährst du in unserem Beitrag “Blues Akkorde und Schema”.

Blue Notes

Unter Blue Notes versteht man Töne, die dem Blues seinen unverkennbaren Klang geben. Besonders charakteristisch sind die folgenden drei: die Bluesterz, die Blues Septime und die Flatted Fifth, die vereinfacht auch als kleine Terz, kleine Septime und verminderte Quinte bezeichnet werden, aber nicht ganz diesen entsprechen. Die moll-pentatonischen afrikanischen Gesänge enthielten nämlich Töne, die nicht rein waren und daher unserem europäischen Dur-Moll-Tonsystem fremd sind. So klang eine kleine Terz damals auf den Plantagen wie ein Zwischenton, also wie die Mischung aus kleiner und großer Terz in unseren heutigen Ohren.

Blue Notes werden während einer Improvisation, über die normalen, dem Dur-/ oder Molltonsystem entnommenen Akkorden gespielt. Auf dem Klavier ist es nämlich nur durch Hilfsmittel möglich, Blue Notes zu spielen, da die einzelnen Tonhöhen nur durch fehlende Stimmung veränderbar ist. Man kann sich jedoch beispielsweise an kleinen und großen Terzen bedienen, die in kleinen zeitlichen Abständen oder sogar gleichzeitig gespielt werden, um diese schrille Klangfarbe zu erzielen.

Blue Notes oder auch Bluestöne sind Töne, die vor allem aus den Genres Jazz und Blues bekannt sind und frei übersetzt traurige Töne bedeuten. Da der Blues eine eigene Tonalität hat, gibt es auch eine eigene Blues Tonleiter. Die Blues Tonleiter besteht aus sechs Tönen, in welcher die verminderte Quinte (Tritonus) eingeschoben wird. Vor allem dieser charakteristische Ton ist unter dem Namen Blue Note bekannt. Er bringt mehr Chromatik in die Tonleiter und verleiht dem Klang durch seine Dramatik viel mehr Ausdruck.

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Bekannte Blues Musiker

Zu den bekanntesten Blues Musikern in Deutschland gehören Stefan Diestelmann und Muddy What?. Als die berühmtesten Blues Musiker weltweit gelten unter anderem Ray Charles, W.C. Handy, Bernard Allison, Willie Dixon, Walter Trout und die Blues Brothers Band. Außerdem zählen ebenfalls Bessie Smith, Robert Lee Johnson, Muddy Waters und John Lee Hooker zu ihnen.

Ray Charles

Dieser Musiker rief den weltbekannten Titel "Hit The Road Jack" ins Leben. Ursprünglich stammt Ray Charles aus Georgia, wo er 1930 zur Welt kam. In jungen Jahren verlor der siebenjährige Ray sein Augenlicht aufgrund seiner Erkrankung am grünen Star, gleich nachdem er zwei Jahre zuvor das Ertrinken seines jüngeren Bruders mit ansehen musste. Mit 16 ereignete sich die nächste Tragödie in seinem Leben: Aufgrund seiner Drogenabhängigkeit wurde er festgenommen. Trotz seiner schwierigen Vergangenheit gilt er bis heute als "Hohepriester des Soul".

W.C. Handy

Der "Vater des Blues" wurde 1873 in Florence im Staat Alabama geboren. William Christopher Handy ist sowohl Trompeter, als auch Komponist und Bandleader. Ihn zeichnet seine übermäßige Modernität aus, denn er musizierte im Blues Stil bevor er überhaupt als Musikgenre ins Leben gerufen wurde. Durch ihn entstand 1909 der Memphis Blues, das offiziell erste Bluesstück gilt, das anschließend 1912 für öffentlich bekannt wurde.

Bernard Allison

Der 1965 geborene US-amerikanische Blues-Gitarrist,   Sänger und Songschreiber ist besonders durch sein Lied “Chills and Thrills” bekannt geworden. Sein Vater Luther Allison war ein begnadeter Musiker. Er stieg später in seine europäische Tourband ein.

Willie Dixon

Willie Dixon wurde 1915 in Mississippi geboren und ist schlechthin einer der bedeutendsten US-amerikanischen Blues-Musiker überhaupt. Er prägte die Musikgeschichte als Bassist, Songwriter und Produzent und gilt zugleich als Vertreter des Chicago-Blues. Zudem unterstützte er die Karriere von Muddy Waters, Sonny Boy Williams und vielen weiteren bedeutsamen Künstlern, die bei Chess Records unter Vertrag standen, wo er Bassist war. Sein erstes Konzert gab er bereits im Alter von vier Jahren in der Springfield Baptisten Kirche. Insgesamt war er über sechs Dekaden hinweg in der Musikbranche tätig.

Stefan Diestelmann

Er wurde 1949 in München geboren. Stefan Diestelmann war neben seinem Beruf als Sänger ebenfalls Gitarrist, Mundharmonikaspieler, Textautor, Komponist und Filmproduzent und galt als Blueskönig der DDR. Seine Karriere begann mit einer Gitarre, die er von seinen Eltern mit 12 Jahren geschenkt bekommen hat.

Walter Trout

Walter Trout stammt aus Ocean City, wo er 1951 geboren wurde. Die Musik des Sängers, Gitarristen und Komponisten ist eine Synthese aus Blues und Rock. Bis heute gibt es noch immer Konzerte. Mit seiner Band war er 2013 auf Europa-Tournee.

Muddy What?

Muddy What? ist eine Band bestehend aus drei Mitgliedern. Diese sind Michi Lang und die Geschwister Ina und Fabian Spang aus Schwabach. Ihr Erfolg kommt besonders durch ihre Diversität zustande. Sie sind ungewöhnlicher Weise noch sehr jung und haben eine Leadgitarristin statt eines männlichen älteren Blues-Musikers. Zudem covern sie Songs so authentisch, dass das ursprüngliche Lied teils kaum noch erkennbar ist. Diese Eigenschaften holten ihnen sicherlich unter anderem den Sieg bei der "German Blues Challenge" 2021 ein.

Blues Brothers Band

Die Blues Brother Band ist eine R&B-Band aus Illinois und war in den 80-er und 90-er Jahren besonders erfolgreich. Sie besteht aus insgesamt elf Mitgliedern und wurde von den zwei Komikern und Schauspielern namens John Belushi und Dan Aykroyd geleitet. Diese zwei Brüder waren die Sänger. Neben ihnen bestand die Band aus einem vierköpfigen Bläsersatz, einem Pianisten, Schlagzeuger, Gitarristen und einem Bassisten. Die Band existierte bereits vor dem Dreh des Films Blues Brothers

Robert Lee Johnson

1911 kam Robert Lee Johnson in Mississippi zur Welt. Er wurde nur 27 Jahre alt und war zu Lebzeiten bei weitem nicht so bekannt wie posthum. Hingegen hatte der Gitarrist, Sänger und Songwriter bereits damals einen großen Einfluss auf andere Gitarristen. Er gilt als Vertreter des Delta Blues und ist seit den 60-er Jahren insbesondere für seinen Song "Sweet Home Chicago" bekannt.

Ungewöhnliche Quick Facts über bekannte Blues Musiker

Bessie Smith

  • Bessie war die bestbezahlte, dunkelhäutige darstellende Künstlerin des Landes. Als „Kaiserin des Blues“ verdiente sie auf Reisen fast 2.000 US-Dollar pro Woche

  • Sie verwendete kein Mikrofon bei ihren Auftritten

  • Sie war so erfolgreich, dass sie sich einen maßgeschneiderten Pullman-Schlafwagen kaufte, mit dem sie die Musikutensilien der Band von Stadt zur Stadt transportierte

  • Sie war für ihre reiche Altstimme und ihre atemberaubende emotionale Intensität bekannt

Muddy Waters

  • Der bekannte Bluessänger adressiert sich selbst unter dem Namen, da er in jungen Jahren gerne im Bach spielte, bzw. in schlammigen Gewässern

  • Er war der Erfinder des sogenannten Chicago Blues, welches von der Nutzung einer E-Gitarre gekennzeichnet ist

  • Er war ebenfalls für Angus Young von AC/DC ein großer Einfluss

John Lee Hooker

  • Sein erstes Instrument war ein Reifenschlauch, der an ein Scheunentor genagelt war

  • Sein genaues Geburtsjahr ist bis heute umstritten. Obwohl die meisten Quellen angeben, er sei 1917 geboren worden und er teils angab, er sei 1920 geboren, sind ebenfalls die Jahreszahlen 1912, 1915 und 1923 im Umlauf

  • Sein Vater, der Prediger war, war der Ansicht, der Blues sei die „Musik des Teufels“

  • Er war unter so einigen Pseudonymen bekannt. Dazu gehören Johnny Williams, Texas Slim oder Birmingham Sam. Unter anderem wurde er ebenfalls als Boogie Man, der Hook oder als King of the Boogie bezeichnet

  • Berichten zufolge rannte er im Alter von 14 Jahren von Zuhause weg und sah seine Eltern nie wieder

Bekannte Blues Songs

Zu den bekanntesten Blues Stücken gehört „Hit the road, Jack“ von Ray Charles, wobei es sogar eher in Richtung Rhythm and Blues, kurz R&B geht. Es ist eben ein Stück mit Ohrwurmcharakter, weshalb es kaum verwunderlich ist, dass es so beliebt ist.

Weitere beliebte Lieder sind diese hier:

  • I am your Hoochie Coochie Man - Muddy Waters

  • Born under a Bad Sign - Albert King 

  • It hurts me, too – Elmore James

  • I would rather go blind - Etta James

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