Die Stufentheorie ermöglicht harmonische Zusammenhänge in Liedern zu erkennen und zu beschreiben. Erfahre hier mehr dazu.
Gründer und Klavierlehrer
Meine erste Begegnung mit dem Quintenzirkel hatte ich, ohne es zu wissen, mit ungefähr 13 Jahren. Eine Woche meiner Ferien hatte ich versucht, zum ersten Mal einen Song herauszuhören. Den ersten Akkord hatte ich recht schnell gefunden, der zweite kam eine Zeit später hinzu, der dritte dauerte ein paar Tage, aber den vierten und letzten (es war ein eher einfacher Song) konnte ich auf dem Griffbrett einfach nicht finden. In der ersten Stunde nach den Ferien bat ich also meinen Gitarrenlehrer, mir zu helfen. Er ließ mich die drei Takte vorspielen und ohne das Lied zu kennen oder anzuhören, meinte er nur: „Probier mal einen Powerchord auf der A-Saite im ersten Bund“. Volltreffer! Genau diesen Klang hatte ich also die ganze Zeit gesucht.
Ein paar Jahre später war ich mir ziemlich sicher, dass mein Lehrer im Kopf den Quintenzirkel abgerufen hatte und dadurch schnell wusste, in welcher Tonart der Song war und welche Akkorde überhaupt noch in Frage kamen.
Um dieses wirklich hilfreiche Werkzeug kennenzulernen, kannst du dir erstmal unser Video zum Thema anschauen:
Im Video hast du erfahren, dass der Quintenzirkel eine kreisrunde Anordnung aller zwölf Dur- und Molltonarten im Abstand von Quinten ist.
Der wichtigste Grund für diese Anordnung ist die klangliche Nähe von Akkorden im Quintabstand. In der Stufentheorie findet man in der Durtonleiter drei Durakkorde: die Tonika (Grundton der Tonart, I.Stufe), eine Quinte unter der Tonika die Subdominante und eine Quinte über der Tonika die Dominante. In C-Dur sind das die Akkorde:
C = Tonika
F = Subdominante, eine Quinte unter C, im Quintenzirkel ein Schritt nach links
G = Dominante, eine Quinte über C, im Quintenzirkel ein Schritt nach rechts
Somit hat man im Quintenzirkel die drei wichtigsten Akkorde jeder Tonart immer gut sichtbar nebeneinander. Die hier blaue Markierung solltest du als eine Art Schablone betrachten, die du entlang des Kreises an allen Stellen anwenden kannst.
Spielt man nacheinander 12 Quinten (7 Halbtonschritte), erhält man, beginnend bei dem Ton c, folgende Reihe:
C - G - D - A - E - H - Fis/Ges - Des - As - Es - B - F - C.
Arrangiert man diese 12 Töne wie auf einem Zifferblatt bei jeder vollen Stunde, erhält man den Quintenzirkel. Bei F#/Gb ist die Hälfte der Reihe erreicht, deshalb ist hier auch die enharmonische Verwechslung notiert. Sowohl F#-Dur als auch Gb-Dur haben genau sechs Vorzeichen, sind also gleich weit entfernt von C-Dur.
Um die Abfolge der Töne zu erinnern, gibt es verschiedenste Merksätze.
Hier einer für die rechte Seite, die Kreuztonarten:
Geh Du Alter Elefant Hole Fische
Hier für die linke Seite, die B-Tonarten:
Frische Besen Essen Asse Des Gesangs
Haben eine Moll- und eine Durtonart die gleichen Vorzeichen, nennt man sie Paralleltonarten. Sie stehen im Abstand einer kleinen Terz und im Quintenzirkel zeigt man ihre Verwandtschaft, indem man die Durtonart außen und die parallele Molltonart an gleicher Stelle innerhalb des Kreises notiert. Beispiel in der blauen Schablone: F-Dur wird außen, die parallele Molltonart D-Moll innen notiert.
Hierzu kannst du dir auch unser zweites Video zum Quintenzirkel anschauen, dort gehen wir sehr genau auf diese sehr wichtige Verwandtschaft der Tonarten ein.
Im Quintenzirkel kann man die Anzahl der Vorzeichen jeder Tonart ablesen, aber wie funktioniert das genau? Dazu schauen wir uns den Aufbau einer Durtonleiter genauer an.
Wichtig ist hier der Aufbau der C-Dur-Tonleiter mit zwei identischen Tongruppen aus vier Tönen, sogenannten Tetrachorden. Die Reihenfolge der Tonschritte ist: Ganzton - Ganzton - Halbton, und ein Ganzton zum nächsten Tetrachord.
Sieht man jetzt den Tetrachord ab g als 1. Tetrachord der G-Dur-Tonleiter, muss man in der oben hinzugefügten Gruppe einen Ton verändern, um die richtigen Tonschritte zu erhalten: f wird zu fis.
Bewegt man sich eine Quinte aufwärts, erhält man jeweils ein Kreuz hinzu. Analog dazu muss man für jede Quinte abwärts jeweils im 1. Tetrachord ein b hinzufügen, hier am Beispiel F-Dur.
Hier noch eine praktische Veranschaulichung, wie du den Quintenzirkel übertragen auf die Gitarre verwenden kannst.
Wie schon beschrieben, erkennt man am Quintenzirkel sehr einfach, welche Akkorde harmonisch zusammenpassen bzw. einer Tonart angehören.
Ausgehend von der C-Dur Tonleiter
kommt man auf folgende Stufenakkorde:
Hinweis: Die internationale Schreibweise ist C - D - E - F - G - A - B - C, diese verwenden wir auch in unserem Gitarrenkurs. Hier heißt das deutsche H dann B, das B aus dem deutschen System heißt international dann Bb bzw. B flat.
Mit Ausnahme von F-Dur lassen sich diese Akkorde alle in der offenen Position auf der Gitarre greifen und sind auch für Anfänger gut spielbar. Ebenso kommen sie in unzähligen Pop/Rock-Songs vor. Im Modul Akkorde mit Leersaiten sind dies auch die ersten Akkorde in unserem Gitarrenkurs.
Die Stufenakkorde aller Tonarten befinden sich im Quintenzirkel in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander, hier nochmals in einer grafischen Darstellung:
In römischen Ziffern (Stufen) dargestellt:
Die ersten sechs Stufendreiklänge gruppieren sich also im Quintenzirkel um die Tonika (1.Stufe oder auch Grundton) herum.
Du musst also nur die Tonart bestimmen und kannst dann diese Schablone auf den Quintenzirkel anwenden.
Dies kann sehr hilfreich sein beim Heraushören oder auch Komponieren von Songs.
Du spielst Klavier oder Gitarre in einer Band und ihr habt euch auf einen Song geeinigt, den alle bis zur nächsten Probe spielen können sollen. Du hörst dir den Song an und suchst auf deinem Instrument passende Akkorde. An einer Stelle klingt A-Dur richtig, an einer anderen Stelle passt E-Dur perfekt. Ein Blick auf den Quintenzirkel verrät dir, dass das Stück entweder in der Tonart E oder A geschrieben wurde (vergleiche oben in Abbildung 3 im rot markierten Abschnitt). Dadurch kannst du folgende, sehr wahrscheinliche Akkorde erwarten und ausprobieren:C#-Moll und F#-Moll gehören zu beiden Tonarten, D-Dur oder H-Moll würden zu A-Dur als Tonart tendieren, H-Dur oder G#-Moll die Tonart E-Dur festigen.
Durch den Quintenzirkel konntest du also die Anzahl der zu erwartenden Akkorde sehr einfach eingrenzen, von 22 auf 6.
Du möchtest mit der oben beschriebenen Band eigene Songs schreiben (sehr viele Formationen kommen irgendwann an diesen Punkt). Fast unabhängig von eurer Stilistik kann man im Quintenzirkel Klänge finden, die weniger Spannung erzeugen (im Kreis nah aneinander) oder die dafür sorgen, dass die Spannung eurer Komposition erhöht wird (im Kreis weiter entfernt).
Beispiel: Die Strophe und der Refrain eures Stückes stehen in der Tonart G-Dur und verwenden nur Akkorde aus der nahen Umgebung, also noch C-Dur, D-Dur, E-Moll, H-Moll und A-Moll. Für das Gitarrensolo nach dem zweiten Refrain suchst du eine große klangliche Veränderung, betrachtest und probierst also im Quintenzirkel weiter entfernte Tonarten. Eb-Dur gefällt dir am besten und in der Umgebung von Eb findest du den Akkord C-Moll; durch den gemeinsamen Grundton mit C-Dur kann man diesen gut verwenden, um in die neue Tonart zu modulieren bzw. auszuweichen:
Der Quintenzirkel hilft dir, die Tonart eines Stückes anhand der Vorzeichen zu bestimmen. Dadurch weiß man schon vor dem Spielen, welche Akkorde in dem Stück vorkommen können und welche Tonleiter man im Verlauf des Einstudierens oder schon als Vorbereitung üben kann. Das folgende Beispiel ist ein erfundener Liedanfang und meine Gedanken dazu:
Als erstes sehe ich drei Kreuze; hierzu sagt mir der Quintenzirkel, dass das Stück sehr wahrscheinlich in A-Dur oder F#-Moll steht. Da die ersten Töne der linken Hand einen A-Dur-Akkord bilden und im zweiten Takt ein E-Dur-Akkord folgt, kann ich mir mit A-Dur ziemlich sicher sein.
Daraufhin übe ich beispielsweise folgende Abläufe:
A-Dur-Tonleiter auf- und abwärts
Stufenakkorde in A-Dur auf- und abwärts
Arpeggien
Das sind ausgezeichnete Aufwärmübungen mit denen ich mich gleichzeitig auf die Tonart des Stückes vorbereite. Sie dauern keine fünf Minuten und danach werden meine Hände viel sicherer sein, welche Töne in dem Stück vorkommen werden.
Der Quintenzirkel ist eine gute Ausgangsbasis, um passende Tonleitern für eine Improvisation zu finden. Hier ein 8-taktiger Soloteil, zu dem man eine Improvisation spielen möchte:
Vier Vorzeichen „b” lassen uns nach dem Quintenzirkel die Tonart Ab-Dur oder F-Moll erwarten. Alle vier Akkorde findet man im oben gezeigten Quintenzirkel im gelb markierten Abschnitt und sie bestätigen die Tonart Ab-Dur: Fm = VIm, Cm = IIIm, Db = IV, Ab = I. Als mögliche Tonleitern versucht man also zuerst die Ab-Dur-Tonleiter, bei Pentatoniken und speziell auf der Gitarre denkt man oft eher an Moll-Pentatoniken, also hier F-Moll-Pentatonik.
Wie du gesehen hast, gibt es viele Einsatzmöglichkeiten für den Quintenzirkel und du hast hier hoffentlich viele Ideen entdeckt, wie der Quintenzirkel dir das Musik machen und verstehen erleichtern kann.
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