Quintenzirkel für Gitarre und Klavier: Vom musikalischen Geheimcode zur kreativen Freiheit

Yacine Khorchi
Yacine Khorchi

Gründer und Klavierlehrer

Letzte Aktualisierung: 02.10.2025

Kennst du das Gefühl, einen Song zu hören und dich zu fragen, wie die Akkorde so perfekt zusammenpassen? Oder sitzt du am Klavier oder mit der Gitarre da und suchst ewig nach dem nächsten passenden Akkord für deine eigene Melodie? Die Lösung ist einfacher als du denkst und liegt in einem der mächtigsten Werkzeuge der Musiktheorie: dem Quintenzirkel. Er ist dein persönlicher Kompass in der Welt der Harmonien.

Dieser Artikel entschlüsselt den Quintenzirkel für dich – ganz ohne kompliziertes Fachchinesisch. Wir zeigen dir, wie er aufgebaut ist, wie du ihn liest und vor allem, wie du ihn nutzt, um schneller Akkorde zu finden, Songs zu verstehen und selbst kreativ zu werden.

Das Wichtigste zum Quintenzirkel in Kürze

  • Grundsätzlich: Der Quintenzirkel ist eine grafische Darstellung aller 12 Dur- und Moll-Tonarten, die im Abstand einer reinen Quinte angeordnet sind. Er zeigt dir auf einen Blick, welche Tonarten und Akkorde harmonisch miteinander verwandt sind.

  • Wichtig: Mit dem Quintenzirkel kannst du die Anzahl der Vorzeichen (♭ oder ♯) jeder Tonart bestimmen, passende Akkorde für einen Song finden und die Beziehungen zwischen Dur- und ihren parallelen Moll-Tonarten verstehen.

  • Tipp: Betrachte den Quintenzirkel nicht als starre Regel, sondern als eine Art Landkarte. Die Akkorde, die auf dem Zirkel nebeneinander liegen, klingen in der Regel immer gut zusammen.

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Was ist der Quintenzirkel und warum ist er dein bester Freund?

Stell dir vor, du versuchst, einen Song nach Gehör zu spielen. Du hast den ersten Akkord, vielleicht C-Dur, aber welcher kommt als Nächstes? G-Dur? A-Moll? F-Dur? Anstatt planlos herumzuprobieren, könntest du einen Blick auf den Quintenzirkel werfen und sofort sehen, welche Akkorde die wahrscheinlichsten Kandidaten sind.

Genau das ist seine Superkraft: Er macht harmonische Zusammenhänge sichtbar. Im Kern ist der Quintenzirkel nichts anderes als eine Uhr, bei der anstelle von Zahlen die 12 Töne unseres westlichen Musiksystems stehen.

Der Abstand von einem "Stundenstrich" zum nächsten beträgt immer eine reine Quinte (sieben Halbtonschritte). Wenn du bei C-Dur startest und im Uhrzeigersinn gehst, landest du bei G, dann bei D und so weiter.

So liest du den Quintenzirkel: Vorzeichen und Paralleltonarten entschlüsselt

Das Geniale am Quintenzirkel ist, dass er dir nicht nur die Tonarten zeigt, sondern auch, wie viele und welche Vorzeichen (Kreuze ♯ oder Bs ♭) eine Tonart hat.

Die Kreuz- und B-Tonarten

Die Regel ist ganz einfach:

  • Im Uhrzeigersinn (nach rechts): Für jeden Schritt von C-Dur aus kommt ein Kreuz (♯) hinzu. G-Dur hat ein ♯, D-Dur hat zwei ♯, A-Dur hat drei ♯ und so weiter.

  • Gegen den Uhrzeigersinn (nach links): Für jeden Schritt von C-Dur aus kommt ein B (♭) hinzu. F-Dur hat ein ♭, B-Dur hat zwei ♭, Es-Dur hat drei ♭ und so weiter.

Wie entstehen die Vorzeichen? Ein Blick auf die Tetrachorde

Hast du dich je gefragt, warum G-Dur genau ein Fis hat? Die Antwort liegt im Aufbau der Dur-Tonleiter, die aus zwei identischen Bausteinen, sogenannten Tetrachorden (Viertongruppen), besteht. Deren Tonschritt-Folge ist immer: Ganzton – Ganzton – Halbton.

Wenn wir nun eine neue Tonleiter auf dem fünften Ton (G) aufbauen, wird der zweite Tetrachord von C-Dur zum ersten von G-Dur. Um die korrekte Tonschritt-Folge beizubehalten, muss der siebte Ton erhöht werden – aus F wird Fis.

Dasselbe Prinzip gilt rückwärts für die B-Tonarten.

Die Paralleltonarten im inneren Kreis

Im inneren Kreis des Zirkels stehen die parallelen Moll-Tonarten. Jede Dur-Tonart hat eine Moll-Tonart, die genau dieselben Vorzeichen verwendet.

C-Dur hat zum Beispiel keine Vorzeichen – genau wie A-Moll. Deshalb ist A-Moll die Paralleltonart von C-Dur.

Faustregel: Die parallele Moll-Tonart findest du immer eine kleine Terz (drei Halbtonschritte) unter der Dur-Tonart.

Zwei Merksätze, die dir für immer helfen

Um dir die Reihenfolge der Tonarten zu merken, gibt es zwei klassische Eselsbrücken:

  1. Für die Kreuz-Tonarten (im Uhrzeigersinn): Geh Du Alter Esel, Hole Fische.

  2. Für die B-Tonarten (gegen den Uhrzeigersinn): Frische Brötchen Essen Asse Des Gesangvereins.

Anwendung auf Gitarre und Klavier: Zwei Instrumente, ein System

Obwohl der Quintenzirkel universell ist, sieht seine Anwendung auf der Gitarre und dem Klavier etwas unterschiedlich aus. Er hilft dir aber auf beiden Instrumenten, die dahinterliegende Logik zu visualisieren.

Der Quintenzirkel auf der Gitarre: Die Macht der Muster

Auf der Gitarre geht es weniger um das Zählen von Tasten, sondern vielmehr um visuelle Muster und Griffbilder.

  • Verschiebbare Formen: Der größte Vorteil auf der Gitarre ist, dass Akkordformen (z. B. Barré-Akkorde) verschiebbar sind. Der Quintenzirkel hilft dir zu verstehen, wohin du sie verschieben musst. Ein F-Dur Barré im 1. Bund wird zu einem G-Dur Barré im 3. Bund – ein Sprung von zwei Bünden entspricht oft einem Quint- oder Quartschritt.

  • Das CAGED-System: Dieses beliebte System zur Visualisierung des Griffbretts basiert direkt auf dem Quintenzirkel (bzw. Quartenzirkel). Die Akkordfolge C-G-D-A-E sind Quintschritte. Das CAGED-System verbindet die Griff-Formen dieser Akkorde über das gesamte Griffbrett und macht harmonische Zusammenhänge greifbar.

  • Finden von Dominanten: Die Dominante (der Akkord eine Quinte höher) liegt auf dem Griffbrett oft an einer sehr logischen Position. Vom Grundton auf der tiefen E- oder A-Saite findest du den Grundton der Dominante oft eine Saite tiefer und zwei Bünde höher.

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Der Quintenzirkel am Klavier: Die Logik der Tasten

Am Klavier ist der Quintenzirkel eine direkte visuelle Landkarte der Klaviertastatur.

  • Vorzeichen verstehen: Die Stärke des Klaviers ist seine lineare Anordnung der Töne. Wenn du von C-Dur (nur weiße Tasten) zu G-Dur (eine Quinte höher) wechselst, siehst du sofort die Veränderung: Es kommt genau eine schwarze Taste hinzu (das Fis). Der Quintenzirkel erklärt dir, warum das so ist und welche Taste als Nächstes dazukommt.

  • Harmonische Nähe fühlen: Benachbarte Tonarten im Zirkel teilen sich die meisten Töne. Beim Wechsel von C-Dur nach G-Dur ändert sich nur ein einziger Ton (F wird zu Fis). Das macht Akkordwechsel flüssig und logisch. Das sind Konzepte, die wir auch in den Grundlagen des Klavierlernens vertiefen.

  • Akkordumkehrungen meistern: Der Zirkel hilft dir, die elegantesten Übergänge zwischen Akkorden zu finden. Statt von einem C-Dur-Grundakkord (C-E-G) zu einem G-Dur-Grundakkord (G-H-D) zu springen, kannst du durch eine Umkehrung viel näher bleiben (z. B. C-Dur zu G-Dur in der ersten Umkehrung H-D-G). Das macht dein Spiel professioneller und geschmeidiger.

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Praktische Anwendung: Wie der Quintenzirkel deine Musik sofort verbessert

Theorie ist gut, aber jetzt wird es praktisch! Hier sind vier konkrete Situationen, in denen der Quintenzirkel zu deinem wichtigsten Werkzeug wird.

1. Die richtigen Akkorde für jeden Song finden

Jede Tonart hat leitereigene Akkorde, die sogenannten Stufenakkorde. Die drei wichtigsten Akkorde jeder Tonart (Tonika, Subdominante und Dominante) liegen im Quintenzirkel immer direkt nebeneinander.

  • Nimm eine beliebige Tonart auf dem Zirkel (C-Dur).

  • Subdominante = Akkord links daneben (F-Dur).

  • Dominante = Akkord rechts daneben (G-Dur).

Mit diesen drei Akkorden kannst du bereits unzählige bekannte Songs begleiten. Willst du es noch interessanter machen? Nimm einfach die drei dazugehörigen parallelen Moll-Akkorde (Am, Dm, Em) hinzu – und schon hast du die sechs wichtigsten Akkorde der C-Dur-Tonleiter.

2. Eigene Songs schreiben und komponieren

Beim Songwriting hilft dir der Zirkel dabei, harmonische und interessante Akkordfolgen zu entwickeln.

  • Für sanfte Übergänge: Wähle Akkorde, die im Zirkel nahe beieinander liegen. Eine Bewegung von C-Dur nach G-Dur oder F-Dur klingt immer vertraut und angenehm.

  • Für mehr Spannung: Springe zu einem weiter entfernten Akkord. Stell dir vor, dein Song ist in G-Dur und verwendet die typischen Akkorde (C, D, Em etc.). Für ein Gitarrensolo oder eine Bridge möchtest du eine große klangliche Veränderung. Ein Sprung zur gegenüberliegenden Seite des Zirkels, zum Beispiel nach Es-Dur, erzeugt genau diese Spannung. Der Übergang kann dann über einen gemeinsamen Akkord wie C-Moll erfolgen, um die neue Tonart einzuleiten.

3. Musikstücke schneller analysieren und verstehen

Wenn du ein Notenblatt vor dir hast, verraten dir die Vorzeichen am Anfang sofort die Tonart. Beispiel:

  • Du siehst drei Kreuze (♯)? Ein Blick auf den Quintenzirkel sagt dir: Das Stück steht entweder in A-Dur oder in Fis-Moll.

  • Schau dir den ersten und letzten Akkord des Stückes an. Meistens bestätigen sie die Grundtonart.

Dieses Wissen hilft dir enorm, weil du sofort weißt, welche Töne und Akkorde im Stück hauptsächlich vorkommen werden. So kannst du dich viel besser auf das Spielen vorbereiten.

4. Kreativ improvisieren

Beim Improvisieren geht es darum, passende Töne über eine Akkordfolge zu spielen. Der Quintenzirkel zeigt dir die "Heimatbasis" deiner Improvisation. Wenn die Akkorde C-Dur, F-Dur und G-Dur gespielt werden, weißt du, dass du mit der C-Dur-Tonleiter (oder der A-Moll-Pentatonik) sicher und melodiös improvisieren kannst.

Dein musikalischer Kompass für jede Situation

Wie du siehst, ist der Quintenzirkel weit mehr als nur ein trockenes Diagramm aus dem Musikunterricht. Er ist eine visuelle Abkürzung, die dir hilft, die Logik hinter der Musik zu verstehen und selbstbewusster zu musizieren. Egal, ob du Songs nachspielst, eigene Stücke schreibst oder einfach nur improvisieren willst – er ist dein zuverlässiger Begleiter.

Wenn du diese Konzepte nicht nur in der Theorie verstehen, sondern direkt am Instrument anwenden möchtest, schau dir unsere Kurse bei music2me an. Wir führen dich Schritt für Schritt durch die Grundlagen und zeigen dir, wie du dein neues Wissen sofort in klingende Musik verwandelst.

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