Kirchentonleiter einfach erklärt - für Klavier und Gitarre

Mirco Sontag
Mirco Sontag

Gitarrenlehrer

Letzte Aktualisierung: 12.01.2024

Was ist eine Kirchentonleiter? Welche Kirchentonarten gibt es?

Wir geben dir einen einfachen Einstieg und helfen dir, eine Übersicht über die verschiedenen Kirchentonleitern zu bekommen und wie man sie erkennen kann.
Als Basis verwenden wir die Töne der C-Dur Tonleiter, wir verwenden in diesem Artikel die deutsche Schreibweise: C - D - E - F - G - A - H - C

Im Diagramm oben siehst du eine Klammer zwischen den Tönen E - F und H - C.

An diesen Stellen, also zwischen dem 3. - 4. und 7. - 8. Ton der Tonleiter befinden sich die Halbtonschritte. Der Abstand zwischen allen anderen Tönen der Dur-Tonleiter besteht aus Ganztonschritten.

Dies ist der typische Aufbau einer Dur-Tonleiter und wichtig für den dadurch entstehenden Klang. Die Dur-Tonleiter ist ein wesentliches Merkmal der westlichen Musik und unserer Hörgewohnheiten:

Die Position der Halbton - und Ganztonschritte spielt ebenfalls eine entscheidende Rolle bei den Kirchentonleitern, dazu gleich mehr.

Vorher müssen wir noch die Tonleiter in einzelne Töne unterteilen.

Jeder einzelnen Stufe der Dur-Tonleiter kann man einen Akkord oder auch eine eigene Skala zuordnen.

Stufe ist hierbei die Bezeichnung der einzelnen Töne der Tonleiter, die dann als Grundton für einen Akkord oder eine Tonleiter stehen können.

Bildet man Dreiklänge mit den leitereigenen Tönen, also nur Tönen aus der C-Dur Tonleiter, und nummeriert diese mit römischen Zahlen durch, so kommt man auf die folgenden Stufenakkorde:

Wenn du dich mehr für Akkorde und Stufentheorie interessierst, schau dir unseren Artikel Stufentheorie und Stufenlehre an.

Kirchentonleitern - das Ionische System

Die diatonischen Kirchentonleitern bestehen ausschließlich aus den Tönen der Durtonleiter, beginnen aber mit dem Grundton der einzelnen Stufen.

Diese “Stufenskalen” - auch Kirchentonleitern oder Modes (bzw. Modi) genannt - erhielten ihren Namen nach griechischen Tonleitern des "Systema teleion” aus dem 8. Jahrhundert.

Die Bezeichnung der einzelnen Skalen wurde von der Namensgebung griechischer Volksstämme abgeleitet.

Im Mittelalter dienten die Kirchentonleitern als Tongeschlechter, vergleichbar mit dem heutigen Dur und Moll. Ausgerechnet unsere am häufigsten genutzten Tonleitern sind jene, von denen die Menschen damals kaum Gebrauch machten. Andere Modi hingegen dominierten die damalige Musik im Gegensatz zu heute. Für unser heutiges Gehör sind die Kirchentonleitern Ausschnitte aus der Stammtonleiter.

Die Durtonleiter heißt in diesem Akkord-Skalen-System ionische Skala, aus diesem Grund nennt man das ganze Skalen-System auch Ionisches System.

Grundsätzlich kann jede Kirchentonleiter von jedem Ton aus gebildet werden. Wir bilden nun also von jedem Ton der C-Dur Tonleiter aus eine neue Tonleiter, jeweils immer nur mit den leitereigenen Tönen. 

Fürs Klavier

Um alle Modi zu erhalten, spielst du von jedem Grundton aus bis zum Oktavton (z. B. von D nach D) lediglich die weißen Tasten des Klaviers, sprich C, D, E, F, G, A und H.

So kommt man auf insgesamt sieben Skalen:

Die Halbtonschritte bleiben natürlich weiterhin zwischen den Tönen E - F und H - C bestehen, hier deutlich sichtbar an den roten Klammern über den Noten.

Wie man gut erkennen kann, verschieben sich die Positionen der Halbtonschritte. Bei der C - Dur Tonleiter - hier jetzt die ionische Skala - sind sie zwischen dem 3. - 4. und 7. - 8. Ton.

Die entstehenden Skalen erhalten folgende Benennung:

  • C - Ionisch

  • D - Dorisch

  • E - Phrygisch

  • F - Lydisch

  • G - Mixolydisch

  • A - Aeolisch

  • H – Lokrisch

Jede Kirchentonleiter ist, so wie dir alle bereits bekannten Tonleitern, durch eine bestimmte Abfolge von Ganz- und Halbtonschritten gekennzeichnet, nach wie vor nach einem festgelegten Schema. Jeder Modus weist unterschiedliche Tonabstände an unterschiedlichen Stellen auf.

Halbtonschritte in der Tabelle

In der nächsten Tabelle siehst du als Überblick an welcher Position der jeweiligen Skala die Halbtonschritte liegen:

Skala

Töne

Position der Halbtonschritte

C-Ionisch

C D E F G A H C

3-4, 7-8

D-Dorisch

D E F G A H C D

2-3, 6-7

E-Phrygisch

E F G A H C D E

1-2 ;5-6

F-Lydisch

F G A H C D F

4-5, 7-8

G-Mixolydisch

G A H C D E F G

3-4, 6-7

A-Aeolisch

A H C D E F G A

2-3, 5-6

H-Lokrisch

H C D E F G A B

1-2, 4-5

Die C-Dur Tonleiter wird in diesem Kontext also zu C-Ionisch.

Die A-Moll Tonleiter kommt hier ebenfalls vor, ihre Halbtonschritte liegen zwischen dem 2. - 3. und 5. - 6. Ton. Ihre Bezeichnung ist nun A-Aeolisch.

Eine genaue Erklärung zur Dur - und Moll-Tonleiter und wie man sie auf der Gitarre spielt, findest du in unserem Beitrag Tonleiter auf der Gitarre lernen.

Man könnte nun meinen, dass eine Kirchentonleiter im Wesentlichen so klingen müsste wie die Durtonleiter, von der sie abstammt, da sie ja aus den selben Noten inklusive deren Reihenfolge besteht.

Unser Gehör misst der Platzierung der Halbtonschritte innerhalb einer Tonleiter aber eine besondere Bedeutung bei. Die jeweilige Platzierung der Halbtonschritte erzeugt einen spezifischen Klang, der den Charakter jeder einzelnen Kirchentonart ausmacht. Insgesamt klingen alle bis auf die Ionische und Aeolische für unsere Ohren recht fremdartig.

Etwas Theorie: Die Skalenformeln der Kirchentonleitern

Jetzt wird es noch etwas theoretisch: im folgenden ein Überblick über den Aufbau der unterschiedlichen Kirchentonleitern, auch Skalenformeln genannt.

Prime

Sekunde

Terz

Quarte

Quinte

Sexte

Septime

Ionisch

1

2

3

4

5

6

7

Dorisch

1

2

b3

4

5

6

b7

Phrygisch

1

b2

b3

4

5

b6

b7

Lydisch

1

2

3

#4

5

6

7

Mixolydisch

1

2

3

4

5

6

b7

Aeolisch

1

2

b3

4

5

b6

b7

Lokrisch

1

b2

b3

4

b5

b6

b7

Die Zahlen stellen den Aufbau der Tonleitern in Intervallen dar, hier nochmal als Erklärung dazu die Einheiten der einzelnen Intervalle:

1 - reine Prime

b2 - kleine Sekunde

2 - grosse Sekunde

b3 - kleine Terz

3 - grosse Terz

4 - reine Quarte

#4 - übermäßige Quarte

b5 - verminderte Quinte (Tritonus)

5 - Quinte

b6 - kleine Sexte

6 - grosse Sexte

b7 - kleine Septime

7 - grosse Septime

Wenn Intervalle noch komplettes Neuland für dich sind, lies dir unseren Artikel Intervalle bestimmen durch.

Die Zahlen in der Tabelle zeigen auf eine anschauliche Weise, welche Intervalle für den jeweiligen Klang der entsprechenden Tonleiter verantwortlich sind.

Ebenfalls kann man sie mit den beiden Tonleitern, deren Klang man am meisten im Ohr hat, nämlich Dur (Ionisch) und Moll (Aeolisch), vergleichen und besser einordnen. Die rot markierten Zahlen stellen dabei die Intervalle dar, die von der Dur- bzw. Moll-Tonleiter abweichen.

Aufbau der Tonleiter in Intervallen

Hier nochmal der Aufbau der Dur-Tonleiter in Intervallen:

1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7

Aufbau der Moll-Tonleiter:

1 - 2 - b3 - 4 - 5 - b6 - b7

  • Ionisch - Dur

  • Dorisch - Moll mit einer grossen Sext

  • Phrygisch - Moll mit einer kleinen Sekund

  • Lydisch - Dur mit einer Übermäßigen Quart

  • Mixolydisch - Dur mit einer kleinen Septim

  • Aeolisch - Moll

  • Lokrisch - Moll mit einer kleinen Sekund und einer verminderten Quint

Außer Lokrisch weicht also keine Skala in mehr als einem Ton von dem uns bekannten Dur bzw. Moll-Klang ab. 

Nach Dur - und Moll - Klangcharakter - geordnet würde das so aussehen:

Dur:

  • Ionisch (Dur)

  • Lydisch (Dur #4)

  • Mixolydisch (Dur b7)

Moll:

  • Dorisch (Moll 6)

  • Phrygisch (Moll b2)

  • Aeolisch (Moll)

  • Lokrisch (Moll b2 b5)

Jetzt die Praxis: Kirchentonleitern spielen und hören

Jetzt endlich zur Praxis, Kirchentonleitern auf der Gitarre und/ oder auf dem Klavier spielen.

Vielleicht hast du ja jetzt selbst schon ein bisschen probiert und die Skalen ausgehend von der C-Dur Tonleiter gespielt.

Das Problem ist, ohne einen Akkord oder Basston im Hintergrund wird es sich für unser Gehör tatsächlich eher nach der C-Dur Tonleiter als nach einer der Kirchentonleitern anhören.

Daher werden wir nun die sieben Skalen ausgehend von einem gleichbleibenden Grundton aufbauen. Dies wären dann eure ersten Übungen für die Kirchentonleitern.

Kirchentonleiter auf der Gitarre spielen

Als Grundton wechseln wir nun zum Ton E aus einem einfachen Grund: Ihr könnt ihn als Leersaite spielen, die konstant als Basston durch klingt. Angeschlagen wird die tiefe E-Saite, die nun als Fundament den Grundton für euer Gehör vorgibt.

In den folgenden Griffbrett-Diagrammen seht ihr, wo ihr die Töne für die jeweilige Skala auf dem Griffbrett findet. Gestartet wird immer auf der A-Saite im 7.Bund mit dem Ton E, die Grundtöne sind immer eckig dargestellt. 

Die Zahlen in den Markierungen stellen das Intervall des jeweiligen Tons entsprechend zum Grundton dar.

Los gehts: Die tiefe E-Saite anschlagen, damit sich euer Gehör den Grundton merken kann, und dann die Skalen durchspielen.

Die Griffbrett-Pattern der Kirchentonleitern mit Grundton E findet Ihr hier kostenlos als PDF zum Download.

Kirchentonleiter auf dem Klavier spielen

Schnapp dir was auch immer für einen Ton, den du möchtest und notiere dir dazu die entsprechende Dur- Tonleiter. Nun ist es an der Zeit dich an all dem Handwerkszeug zu bedienen, das wir dir an die Hand gegeben haben. Wenn du die lydische bzw. die mixolydische Tonleiter auf die Beine stellen möchtest, fügst du zum 4. Ton auf der ursprünglichen Dur-Tonleiter ein Kreuz ein, für die mixolydische schmückst du zusätzlich den 7. Ton mit einem b. Für die anderen, bedienst du dich an der Moll-Tonleiter und ergänzt hier entsprechend die Vorzeichen (siehe oben).

Dies ist auf jede Tonleiter übertragbar und anwendbar.

Jetzt sollten die klanglichen Unterschiede der verschiedenen Skalen für euch schon deutlich hörbar sein. Die charakteristischen Klangfarben der einzelnen Skalen könnte man in etwa so beschreiben:

  • Ionische Skala: strahlend, fröhlicher Klang

  • Dorische Skala: frecher, funkiger Klang - das freche Moll

  • Phrygische Skala: leicht spanisch klingend - das geheimnisvolle Moll

  • Lydische Skala: sphärisch, mystischer Klang - das geheimnisvolle Dur

  • Mixolydische Skala: bluesiger Klang

  • Aeolische Skala: düster, trauriger Klang - das traurige Moll

  • Lokrische Skala: sehr spannungsvoller Klang

FUN FACTS zur Kirchentonleiter

Die lokrische Tonleiter gilt als düsterste und trat im Mittelalter noch überhaupt nicht auf. Sie wurde nur zur Vervollständigung des Systems eingeführt, hat jedoch inzwischen ihren Platz im Jazz gefunden und wird häufig in Improvisationen eingebaut.

Die Kirchentonleitern sind nicht nur in zeitgenössischen kirchlichen Gesangbüchern zu finden, sondern durchaus auch in der Rockmusik. Sie gehören zum harmonischen Standard-Repertoire für Melodien und Solos.

Wie bestimme und erkenne ich Kirchentonleitern?

Dazu sollte man immer wissen, in welcher Grundtonart man sich befindet, also welche die Ursprungs-Tonleiter der gespielten Skala ist.

Als Beispiel nehmen wir unsere vorher gespielten Skalen in E, hier ein Überblick über die Töne:

Skala

Töne

Grundtonart

E - Ionisch

E Fis Gis A H Cis Dis E

E-Dur

E - Dorisch

E Fis G A H Cis D E

D-Dur

E - Phrygisch

E F G A H C D E

C-Dur

E - Lydisch

E FisGis Ais H Cis Dis E

H-Dur

E - Mixolydisch

E Fis Gis A H Cis D E

A-Dur

E - Aeolisch

E Fis G A H C D E

G-Dur

E - Lokrisch

E F G A B C D E

F-Dur

Man muss also rückwärts zählen, um zur Grundtonart zu kommen.

E-Ionisch ist E-Dur, E-Dorisch ist die zweite Stufe von D-Dur, E-Phrygisch die dritte Stufe von C-Dur etc.

Etwas einfacher ist das Ganze, wenn man den Quintenzirkel zur Hand nimmt, hier erkennt man recht schnell anhand der Vorzeichen um welche Grundtonart es sich handelt.

Beispiele

  • E-Lydisch hat fünf Kreuz-Vorzeichen, Tonart mit fünf Kreuzen ist H-Dur

  • E-Mixolydisch hat drei Kreuz-Vorzeichen, also A-Dur

  • E-Lokrisch hat ein b-Vorzeichen, Tonart ist also F-Dur

Mit anderen Tönen funktioniert es selbstverständlich nach demselben Schema.

Schritt-für-Schritt-Anleitung

Hier eine Schritt für Schritt Anleitung, falls du dich noch mit den Kirchentonleitern schwer tust:

Möchtest du beispielsweise herausfinden, welche Töne du spielen musst, um G-Dorisch zu erhalten, überlegst du dir zunächst, welche Stufe die dorische Tonleiter ist. Welche war das nochmal? Genau, die zweite. Somit überlegst du, wovon G die zweite Stufe ist. Dies wäre F, genauer gesagt F-Dur, welches ein einziges b hat, und zwar vor dem Ton H, der dadurch zum B wird. Trägst du all diese Informationen zusammen, weißt du welche Töne du benötigst:

G A B C D E F G

Anderes Beispiel: Was ist D-Mixolydisch?

Also, mixolydisch ist die 5. Stufe. Somit zählen wir von D aus 5 Schritte abwärts (D C H A G). Hierbei musst du beachten, dass wir uns in einer Dur-Tonleiter befinden, die einen Halbtonschritt zwischen dem 3. und 4. Ton und ebenfalls zwischen dem 7. und 8. der Tonleiter hat, wie bereits erwähnt. Dies wäre in diesem Beispiel der Halbtonschritt zwischen dem 3. Ton H und dem 4. Ton C. Wir landen bei G, denn D ist die 5. Stufe von G. G-Dur hat ein einziges Vorzeichen, ein Kreuz: fis. Die D-mixolydische Tonleiter entspricht einer G-Dur Tonleiter, ausgehend von D nach D.

D E FIS G A H C D

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